In den letzten Wochen gibt es bedenkliche Entwicklungen im Umgang mit Betroffenen bzw. Menschen mit Krisen- und/oder Psychiatrieerfahrung. Anlässlich der tragischen Ereignisse u.a. in Aschaffenburg und Magdeburg werden die Rufe nach einer Früherkennung von Gefährder-Potenzialen lauter. Wir beobachten diese Entwicklungen äußerst kritisch und können uns den unten verlinkten Einordnungen anschließen.
In einer Rundmail des Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern kommentiert der Referent für Psychiatrie und Suchthilfe, Davor Stubican, folgendermaßen:
„In den vergangenen Jahren ist auch in Bayern einiges unternommen, zumindest versucht worden, um psychisch erkrankte Menschen zu entstigmatisieren – nicht zuletzt auch mit dem 2018 verabschiedeten BayPsychKHG, bei dem nach erfolgreicher Intervention verschiedener Interessenverbände das sogenannte „Zwangsregister“ aus dem Gesetzesentwurf wieder entfernt wurde. Erleben wir gerade einen Rückschritt? Der gesellschaftspolitische Schaden bzw. der Schaden für psychisch erkrankte Menschen ist durch die aktuell geführte Debatte, durch die Wortwahl und die in der Vergangenheit häufig wiederlegten Argumente, dass durch restriktivere Gesetze und mehr Zwang Gewalt verhindert werden könne, jetzt schon riesengroß und wir müssen davon ausgehen, dass konkrete politische Forderungen nach einer Verschärfung der gesetzlichen Regelungen für den Umgang mit psychisch kranken Menschen folgen werden – den Beschlüssen der Innenministerkonferenz folgend. Anders ist auch die Forderung des Bayerischen Ministerpräsidenten nach einer klaren Law-and-Order-Politik nicht zu deuten.“
Petition zum Thema
Derzeit wird eine Petition unter dem Titel „Offener Brief an Carsten Linnemann (change.org)“ verbreitet, die sich ebenfalls gegen die neusten Entwicklungen ausspricht.
Stellungnahmen
Bereits einige Verbände und Initiativen haben Stellungnahmen in die Debatte eingebracht, die wir hier zugänglich machen wollen:
DGSP: Stellungnahme zur Registrierung psychisch erkrankter Menschen
Mit Erschrecken nimmt die DGSP die politischen und publizistischen Rufe nach einer Registrierung psychisch erkrankter Menschen zur Kenntnis. Wenn dies im Jahr 2025 zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa sowie anlässlich des 50. Jahrestages der Psychiatrie-Enquete geschieht, dann liegt die Vermutung nahe, dass politischen und publizistischen Meinungsführenden jede historische Sensibilität zu fehlen scheint.
[Zur Stellungnahme]
BApK: Zu den Forderungen der CSU zum Umgang mit psychisch erkrankten Menschen
Der BApK bezweifelt die Wirksamkeit der Forderungen der CSU nach verschärften gesetzlichen Regelungen nach den Ereignissen in Aschaffenburg. Er warnt davor, schnelle Lösungen wie Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, und fordert stattdessen eine bessere Prävention und Krisenintervention. Eine menschenwürdige psychiatrische Versorgung muss gestärkt werden, insbesondere durch den Ausbau von Krisendiensten und ambulanter Hilfe. Die Forderungen der CSU gefährden Fortschritte in der Psychiatrie und stigmatisieren psychisch erkrankte Menschen.
[Zur Stellungnahme]
Darüber hinaus möchten wir auf einen ebenfalls lesenswerten Beitrag der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer hinweisen: https://www.baff-zentren.org/aktuelles/gegen-die-stigmatisierung-psychisch-erkrankter-gefluechteter-perspektiven-aus-der-praxis-zu-aschaffenburg/